Liebe Freunde und Unterstützer

Das vergangene Jahr war nicht einfach, internationale Krisen bestimmten die Debatten und auch nationale Konflikte waren leider oft von wenig Diskussionskultur und Sachverstand begleitet.

Unsere Arbeit in Guyana konnten wir jedoch erfolgreich fortsetzen. Zwar gab es viel bürokratischen Aufwand z.B. bei den erforderlichen Genehmigungen, sowie beim Versand der nicht-invasiv gewonnenen DNA Proben der Sonnensittiche, (letztendlich dauerte der Versand von circa 100g genetischem Material von Guyana nach Schweden 8 Monate), aber unsere Ranger Willington und Michaelson in Karasabai waren sehr fleißig. So liegen im Genomlabor der Universität von Umea in Schweden nunmehr 506 Proben vor. Wenn man bedenkt, das es im angestammten Habitat des Aratinga solstitialis an der Grenze von Guyana und Brasilien 1000-2499 Exemplare in Freiheit leben (grob geschätzt durch die IUCN „Rote Liste der gefährdeten Arten“) , ist diese genetische Datenbank schon ein großer Erfolg. Wobei sicherlich von manchen Papageien mehrere Proben vorliegen, noch sind nicht alle Proben ausgewertet.

Unser Vorstand, Dr. Robert Spitzer, welcher das Projekt leitet und die genetischen Untersuchungen durchführt, hat eine Zwischenbilanz zum 2016 gestartetem Projekt verfasst. Hier einige Auszüge:

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… Im November 2021 wurde die zweite Phase des Projekts, „Nichtinvasive Populationsüberwachung des Sonnensittichs (Aratinga solstitialis) durch SNP-Genotypisierung von Umwelt-DNA (eDNA)-Proben“, von der Guyana EPA genehmigt (Forschungsgenehmigung Nr. 110121BR016). In dieser zweiten Phase des Projekts sollten nicht-invasive eDNA-Proben wie Kot und Federn an lokal bekannten Sonnensittich-Futter- und Nistplätzen gesammelt werden. Wichtige Naturschutzmetriken wie Populationsgröße, Verwandtschaft, Bruterfolge, Populations-(Unter)struktur und Geschlechtsverhältnisse können aus der Genotypisierung solcher Proben abgeleitet werden.

Die auf eDNA-Proben basierende Populationsüberwachung in Guyana soll zeitlich unbegrenzt fortgesetzt werden. Die Langzeitüberwachung ermöglicht die Erkennung von Populationsfluktuationen, Brutmustern und Überleben und hilft bei der Bewertung von Bedrohungen wie Lebensraumverlust oder Krankheiten. Sie ist auch wesentlich für die Bewertung des Erfolgs von Naturschutzmaßnahmen. Langzeitdaten unterstützen die Erkennung von Anpassungen an den Klimawandel, fördern wissenschaftliche Forschung und Bildung und informieren über politische und Managemententscheidungen. Letztendlich ist eine dauerhafte Überwachung für eine effektive Wildtierkonservierung und den Erhalt der Integrität des Ökosystems unerlässlich.

(zu den beiden folgenden Abschnitten siehe auch Erläuterungen am Ende)

Die Ergebnisse werden auch dem Management der ex situ Populationen von Sonnensittichen in EAZA-Mitgliedseinrichtungen zugutekommen (aktuell über 650 Individuen in über 60 Einrichtungen). Der genetische Vergleich von in Gefangenschaft lebenden Individuen mit ihren wilden Artgenossen ermöglicht die Bildung von Zuchtlinien, die genetisch ähnlich zur Wildpopulation sind, und erfüllt somit eines der Hauptziele des ex situ Konservationsmanagements, nämlich die Bereitstellung einer Backup-Population als Versicherung gegen katastrophale Ereignisse, Krankheiten oder Lebensraumverlust, die die Wildpopulation betreffen.

Zusätzlich streben wir an, mögliche Hybride zwischen A. solstitalis und anderen eng verwandten Aratinga-Arten zu identifizieren. Die Erkennung von Hybridisierung würde Interventionen ermöglichen, wie z.B. das Trennen von Individuen oder das Anpassen von Zuchtstrategien, um die genetische Integrität der in Gefangenschaft lebenden Populationen zu bewahren.

Ziele und Aufgaben

  1. Erkennung von Populationsstrends und -dynamiken: Die Langzeitüberwachung ermöglicht es uns, Trends in der Sonnensittich-Population über längere Zeiträume zu beobachten. Diese Informationen sind entscheidend, um zu verstehen, ob die Population zunimmt, stabil bleibt oder abnimmt, was für ein effektives Naturschutzmanagement wesentlich ist. Entscheidende Naturschutzmetriken wie Reproduktionsraten, Fitness, Überleben und Bewegungsverhalten basieren auf Langzeitdaten. Diese eingehenden Informationen tragen erheblich zu einem umfassenden Verständnis der Ökologie der Art bei.
  2. Identifizierung von Bedrohungen und Ursachen des Rückgangs: Die kontinuierliche Überwachung hilft dabei, potenzielle Bedrohungen wie Lebensraumverlust, Verschmutzung, Klimawandel, illegalen Fang oder die Ausbreitung von Krankheiten zu identifizieren. Das Verständnis der Ursachen des Populationsrückgangs ermöglicht die Entwicklung gezielter Interventionen zur Bewältigung dieser Bedrohungen.
  3. Bewertung von Naturschutzmaßnahmen: Die Überwachung bietet eine Möglichkeit, die Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen im Laufe der Zeit zu bewerten. Durch den Vergleich von Bevölkerungstrends vor und nach der Umsetzung bestimmter Maßnahmen können wir den Erfolg ihrer Bemühungen einschätzen und Strategien entsprechend anpassen.
  4. Biodiversitätsschutz: Die Überwachung trägt zu den breiteren Zielen des Biodiversitätsschutzes bei, indem der Status der Sonnensittiche in ihrem Ökosystem verfolgt wird. Diese Informationen sind entscheidend, um prioritäre Ressourcen (z.B. Nahrungs- und Nistplätze) und Lebensräume für Naturschutzmaßnahmen zu identifizieren.
  5. Frühwarnsysteme: Langzeitüberwachung kann als Frühwarnsystem für aufkommende Probleme dienen. Sie kann beispielsweise dazu beitragen, das Auftreten von Krankheiten oder anderen ökologischen Ungleichgewichten und Bedrohungen (z.B. illegaler Fang) zu erkennen, die weitreichende Folgen für die Sonnensittich-Population haben können.
  6. Anpassung an den Klimawandel: Klimawandel ist eine erhebliche Bedrohung für viele Arten. Langzeitüberwachung liefert Daten, die zur Verfolgung von Veränderungen in der Verbreitung, Veränderungen im saisonalen Verhalten und anderen Reaktionen der Sonnensittiche auf den Klimawandel genutzt werden können. Diese Informationen sind entscheidend für die Entwicklung von Strategien, um der Art zu helfen, sich an sich ändernde Umweltbedingungen anzupassen.
  7. Wissenschaftliche Forschung und Bildung: Langzeitdatensätze sind wertvoll für wissenschaftliche Forschung, ermöglichen die Untersuchung komplexer ökologischer Prozesse und Muster. Darüber hinaus dienen diese Datensätze als Bildungsinstrumente und bieten Studenten und der Öffentlichkeit Einblicke in die Natur und die Bedeutung des Naturschutzes. Langfristiges Engagement ist auch wichtig für die Gewinnung und Ausbildung der nächsten Generation von lokalen Naturschützern, indem lokale Kinder und Jugendliche in das Projekt einbezogen werden.
  8. Unterstützung bei politischen und Managemententscheidungen: Entscheidungsträger und Ressourcenmanager sind auf Langzeitüberwachungsdaten angewiesen, um Entscheidungen im Zusammenhang mit Wildtiermanagement, Lebensraumschutz und Naturschutzrichtlinien zu informieren. Dieser evidenzbasierte Ansatz verbessert die Effektivität der Entscheidungsfindung ____________________________________________________________

Anmerkung:

Besonders erfreulich entwickelt hat sich die intensivierte Zusammenarbeit mit dem Dachverband der europäischen Zoos EAZA und das Interesse der beteiligten Zoos. Letztendlich sind die ca. 650 Sonnensittiche in 60 europäischen Einrichtungen (vor allem Zoos) ja auch eine Genreserve. Derzeit ist noch völlig unklar wie nah oder fern die ex situ Sonnensittiche (also außerhalb des Habitats lebend) mit den in situ Papageien in Guyana verwandt sind.

In diesem Zusammenhang bedanken wir uns herzlich bei der damit in Zusammenhang stehenden finanziellen Unterstützung durch die niederländische Stiftung „Stichting Gaia Nature Fund“, sowie natürlich unseren anderen treuen Freunden und Unterstützern ohne die diese wichtige Forschungsarbeit zur bedrohten Art der Sonnensittiche nicht möglich wäre.

Auf ein friedlicheres Jahr 2024

mit herzlichen Grüßen

Dr. Robert Spitzer und Gerd Baumann